3. Platz: Verbessertes Notfallmanagement durch Early-Warning-Score (EWS) im Städtischen Klinikum Karlsruhe

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Ausgangssituation

In deutschen Krankenhäusern werden jährlich circa 18 Millionen Patienten behandelt. Bei 5 bis 10 Prozent dieser Patienten kommt es zu einem sogenannten „unerwünschten Ereignis“. Dies macht geschätzt 360.000 bis 900.00 innerklinische Notfälle pro Jahr (Daten aus dem Deutschen Reanimationsregister). Notfälle, mit denen man nicht rechnen konnte, oder vielleicht doch? In retrospektiven Analysen konnte gezeigt werden, dass bei bis zu 84 Prozent der Patienten im Krankenhaus eine Verschlechterung bestimmter Vitalparameter schon Stunden vor dem Herzstillstand feststellbar waren. McQuillan kam 1998 im British Medical Journal zu dem Schluss, dass bis zu 41 Prozent der Aufnahmen auf die Intensivstation potenziell vermeidbar wären. Als Folge wurde 2015 in den ERC-Leitlinien (European Resuscitation Council) zur Reanimation und dem Weißbuch Reanimationsvorsorge des Deutschen Rates für Wiederbelebung (GRC) von den Krankenhäusern gefordert, dass neben der Aufstellung von speziellen Notfallteams auch „eindeutige Leitlinien (zum Beispiel über Alarmierungskriterien oder Frühwarnsysteme) zur Unterstützung des Personals in der Früherkennung der Patientenverschlechterung“ etabliert werden sollten. Vor diesem Hintergrund wurde 2017 im Städtischen Klinikum Karlsruhe durch die Geschäftsführung beschlossen, ab 2018 mit der schrittweisen Einführung eines monitorgestützten Frühwarnsystems – auf Grundlage des in Großbritannien schon etablierten Early-Warning-Scores (EWS) – zu beginnen, um das Notfallmanagement zu verbessern und die Patientensicherheit zu erhöhen.

Zielsetzung

Mit der Einführung des Projektes sollten mehrere Ziele verfolgt werden:

  1. Erhöhung der Patientensicherheit
  2. Mehr Sicherheit für das Pflegepersonal durch die Festlegung verbindlicher Parameter für die Alarmierung des Stationsarztes beziehungsweise des Notfallteams
  3. Kritisch kranke Patienten früher erkennen
  4. Therapie frühzeitig beginnen, gegebenenfalls schon auf der Normalstation
  5. Ungeplante Verlegungen auf die IMC oder Intensivstation minimieren
  6. Zahl der Reanimationen zu senken
  7. Weniger Einsätze für das Notfallteam
  8. Mehr OP-Kapazität

Projektbeschreibung

Der EWS wurde zunächst auf zwei gefäßchirurgischen Stationen mit 34 Betten eingeführt, da nicht sicher war, wie sich die Einsatzahlen für das Notfallteam entwickeln würden. Nach sieben Monaten, bei rückläufigen Einsätzen, kamen zwei unfallchirurgische Stationen mit 44 Betten hinzu. Seit Februar 2019 sind, mit zwei neurochirurgischen Stationen, drei Kliniken mit insgesamt 114 Betten beteiligt. Vor dem Start wurden Ärzte und Pflege für 1,5 Stunden in den Gebrauch des EWS sowie in die Bedienung des Monitors eingewiesen. Ferner wurde im Vorfeld mit der pflegerischen und ärztlichen Leitung festgelegt, in welchen Abständen und bei welchen Patienten der EWS erhoben werden soll und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn der Patient bei der Messung auffällig ist. Durch Messung der Vitalparameter und Eingabe der „Atemfrequenz“, des „Bewusstseinsstatus“ und der möglichen „Sorge um den Patienten“, wird der Summenwert berechnet und gleichzeitig die entsprechende Maßnahme auf dem Bildschirm angezeigt. Zusätzlich wurden auf jeder Station mehrere Poster aufgehängt. Poster 1 zeigt die einzelnen Vitalparameter, deren Grenzwerte sowie den dazugehörigen Punktwert für den EWS. Poster 2  zeigt die einzuleitenden Maßnahmen. Als weitere Merkhilfe bekam jeder Mitarbeiter die Poster als laminierte Taschenkarte.

Projektevaluation

Bei unseren Auswertungen konnten wir feststellen, dass die Akzeptanz auf Seiten der Pflege und der Ärzte gut war. Der Aufwand für die Ermittlung des EWS hält sich mit 3 bis 5 Minuten pro Patient in Grenzen. Der Nutzen für das Pflegepersonal liegt vor allem in einem „Mehr an Sicherheit“. Durch den EWS gibt es „harte Fakten“ für die Alarmierung des Stationsarztes oder des Notfallteams und eine verbindliche Regelung, innerhalb welcher Zeit der Patient zu visitieren ist. Fast immer wurde bereits auf der Station mit einer zielgerichteten Therapie begonnen. Nur vereinzelt unterblieb die Alarmierung der Intensivstation, obwohl indiziert, weil man das Problem alleine auf der Normalstation lösen konnte, da der Patient früh genug vom EWS erfasst wurde. Durch einen Abgleich mit unseren Daten im Deutschen Reanimationsregister konnten wir sehen, dass die Zahl der Einsätze für das Notfallteam 2018 von 17 auf 9 zurückging. Die Zahl der Reanimationen verringerte sich um 50 Prozent. Als Folge gab es weniger ungeplante Verlegungen auf die Intensivstation.

Fazit

Durch das Projekt konnten wir die Patientensicherheit deutlich erhöhen und das Notfallmanagement spürbar verbessern. Die Mitarbeiter sind durch die tägliche Anwendung des EWS noch stärker sensibilisiert, Veränderungen beim Patienten wahrzunehmen und fühlen sich bei ihrer Entscheidungsfindung, wann der Stationsarzt oder das Notfallteam gerufen werden soll, sicherer. Für die Intensivstation und das Notfallteam bedeuten weniger Alarme und weniger Reanimationen auch weniger ungeplante Aufnahmen und eine Entlastung in der täglichen Arbeit bei knappen Ressourcen.

Ausblick

2019 soll der EWS in den operativen Kliniken weiter ausgerollt werden, so dass bis Ende 2019 fünf operative Kliniken mit insgesamt 180 Betten am EWS teilnehmen werden.