Sonderpreis für Umweltschutz und Nachhaltigkeit: Der CO2-Fußabdruck der Anästhesiologie in den RKH Kliniken des Landkreises Karlsruhe
Ausgangssituation
Der Gesundheitssektor ist ein relevanter Mitverursacher des Klimawandels. Zwischen 5 % und 10 % des gesamten CO₂-Ausstoßes in Industrieländern kommt aus dem Gesundheitssektor, ein großer Teil davon wird von den Krankenhäusern emittiert. In der Anästhesiologie kommt der Nutzung volatiler Anästhetika (VA) eine besondere Bedeutung zu. VA haben eine erhebliche treibhauswirksame Potenz. Insbesondere Desfluran ist mit einem mehr als 2.500-fach größeren Treibhauseffekt als CO₂ problematisch. Die Auswirkungen von Sevofluran sind dagegen mit einem 130-fachen CO₂-Effekt deutlich geringer.
Bis einschließlich 2017 wurden in der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie der FürstStirum-Klinik Bruchsal und der Rechbergklinik Bretten der RKH Kliniken des Landkreises Karlsruhe die VA Sevofluran und Desfluran gleichwertig verwendet. Mit Beginn 2018 wurde aus Gründen des Klimaschutzes die Verwendung von Desfluran auf Situationen begrenzt, in denen es von den behandelnden Anästhesist*innen bewusst angefordert wurde.
Zielsetzung und Projektbeschreibung
Primäre Zielsetzung
Erstellen einer Berechnungs-Matrix für den CO₂-Fußabdruck einer anästhesiologischen Abteilung, die auch von anderen Häusern angewendet werden kann. Mit ihrer Hilfe sollten die Treibhausgasemissionen der Abteilung in CO₂-Äquivalenten für die Jahre 2017 und 2018 untersucht werden. Die Matrix beinhaltet drei Bereiche, welche von den Mitarbeitenden der Abteilung direkt beeinflussbar sind. Die Intensivmedizin, Schmerztherapie und Notfallmedizin wurden nicht miteinbezogen.
- Die jährlichen Emissionen in CO₂-Äquivalenten durch die Verwendung von volatilen Anästhetika wurde mit Hilfe von Global Warming Potentials (GWPs) für den Zeitraum von 100 Jahren berechnet. GWPs sind eine Maßzahl für das Treibhauspotential chemischer Verbindungen über einen bestimmten Zeitraum. Sie quantifizieren den Treibhauseffekt dieser Verbindung im Verhältnis zu CO₂.
- Die Emissionen durch die Verwendung von Einmalartikeln, Verpackungen und Behältnissen von Flüssigkeiten und Medikamenten wurden erfasst und berechnet. Die Sachartikel und Medikamente der Jahre 2017/18 wurden erfasst, gewogen und entsprechend ihrer Materialklasse und ihrer Entsorgung in Gruppen eingeteilt. Die Umrechnung in CO₂-äquivalente Emissionen erfolgte mit Hilfe von Umrechnungsfaktoren vom Department for Environment, Food and Rural Affairs, Großbritannien. Darin werden sowohl Emissionen berücksichtigt, die upstream bei der Rohstoffgewinnung, beim Transport und bei der Materialproduktion anfallen, sowie Emissionen, die downstream bei der Entsorgung entstehen. Nicht miteinbezogen werden produktspezifische Emissionen, die beim Herstellungsprozess, der Verpackung oder Sterilisation anfallen.
- Die Emissionen durch den Treibstoffverbrauch auf dem Arbeitsweg wurden auf Basis der Jahresdienstpläne und der jeweiligen Entfernung des Wohnortes zum Arbeitsplatz pro Mitarbeiter*in des ärztlichen und Fachkrankenpflegepersonals ermittelt. Berechnungen der CO₂-Äquivalente erfolgten über durchschnittliche Treibstoffverbräuche in Deutschland.
Sekundäre Zielsetzung
Mit Hilfe dieser Matrix sollte der Effekt der eingeschränkten Verwendung von Desfluran auf den CO₂-Fußabdruck der anästhesiologischen Abteilung dargestellt werden. Kritischer Erfolgsfaktor war es, relevante Einsparungen der CO₂-Emissionen der anästhesiologischen Klinik zu erreichen.
Projektumsetzung und -evaluation
Eine Berechnungs-Matrix des CO₂-Fußabdrucks wurde für die drei beschriebenen Bereiche erstellt (primäre Zielsetzung). Durch die Einschränkung der Verwendung von Desfluran konnte eine erhebliche Reduktion des CO₂-Fußabdrucks der Abteilung dargestellt werden (sekundäre Zielsetzung): Die Reduktion der CO₂-äquivalenten Emissionen durch die Einschränkung der Verwendung von Desfluran ist beträchtlich. Die Gesamtemissionen der Klinik betrugen 2017 noch 399,7 t, 2018 hingegen nur noch 126,4 t CO₂-Äquivalent. Der Anteil der VA an den Gesamtemissionen sank von 77 % im Jahr 2017 auf nur noch 28,4 % im Jahr 2018. Damit konnte der CO₂-Fußabdruck allein durch die Umstellung auf eine hauptsächliche Verwendung von Sevofluran um 271,9 t im Jahr und damit um 77 % der Gesamtemissionen gesenkt werden.
Fazit
Durch das Projekt wurde gezeigt, dass allein durch die Umstellung der VA von Desfluran auf Sevofluran erhebliche Emissionen einer anästhesiologischen Abteilung eingespart werden.
- Aufbauend auf diesen Ergebnissen ist eine Holding-weite Umstellung innerhalb der RKH (Regionale Kliniken Holding RKH GmbH) auf die Verwendung von Sevofluran erfolgt.
- Weitere Maßnahmen zur Reduktion der CO₂-äquivalenten Emissionen innerhalb der drei Bereiche bleiben noch zu diskutieren und umzusetzen.
Ausblick
Weltweit wird der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten die Gesundheitssysteme vor größte Herausforderungen stellen. Eine drastische Verschlechterung der Patientenversorgung durch die Auswirkungen des Klimawandels ist ein wahrscheinliches Szenario. Zugleich ist der Gesundheitssektor selbst ein erheblicher Emittent von Treibhausgasen. Als Ärztinnen, Ärzte und Mitarbeitende im Gesundheitssektor stehen wir in einer besonderen Verantwortung, diese zu erwartenden Folgen abzumildern. Als hochtechnisierte, ressourcenintensive Bereiche sind die Anästhesiologie und die operativen Bereiche in erheblichem Maße an den Emissionen des Gesundheitssystems beteiligt. Diesen Fußabdruck zu reduzieren, um eine langfristige Gesundheitsversorgung hoher Qualität zu gewährleisten, muss höchste Priorität haben